ein kunsttherapeutisches projekt mit frauen

die wirkung auf die ich hinziele, ist die hervorbringung eines seelischen zustandes, 

in welchem mein patient anfängt, mit seinem wesen zu experimentieren, 

wo nichts mehr für immer gegeben und hoffnungslos versteinert ist, 

ein zustand der veränderung und des werden. 

(zitat jung, glück, alexandra (2011) selbst-bilder seite 57)

ich selbst sein – nein, ich bin eine gute mutter

mit der geburt eines kindes werden häufig traditionelle rollenmuster lebendig: die frau als mutter und hauptverantwortlich für alle arten von familienarbeit – und heute auch als gesellschaftlich aktive und attraktive frau. der mann als ernährer – und heute auch aktiver vater.

oft ist es üblich, dass die mütter zwar in teilzeit arbeiten, sie übernehmen aber auch die hauptverantwortung für familie und erziehungsarbeit und 80% der hausarbeit. aus dem wunsch nach gleichberechtigung wird ein scheinbar individueller spagat: die moderne multitasking-frau wird als mutter mit sehr traditionellen erwartungen der gesellschaft konfrontiert und findet sich plötzlich in einer scheinbar klassischen mutterrolle wieder. von ihr wird erwartet, dass sie eigene bedürfnisse zugunsten der familie zurückstellt, dass sie immer verfügbar ist und die verantwortung für die kinder und deren förderung und gesunde entwicklung, für das soziale leben der familie und ggf. die sorge für pflegende angehörige übernimmt, aber auch berufstätig ist. diese erwartungen setzen mütter sehr stark unter druck, die flut der ratgeber für alle facetten des mütterlebens verstärken dabei den druck, denn scheinbar ist das alles zu schaffen und ein individuelles problem.

an mütter werden riesige erwartungen gestellt – und dabei gehen die eigenen bedürfnisse oft unter – aber diese sind wichtig für die gesundheit.

mütter brauchen ein modernes mütterbild, das nicht selbstlosigkeit propagiert, sondern mit dem modernen frauenbild schritt hält: familie und kinder sind wichtig – aber die eigenen bedürfnisse auch, denn mütter können nur stark sein, wenn sie auch kraft tanken können, und sie brauchen konkrete unterstützung im alltag, zu hause, im beruf, in der gesellschaft. (http://www.muettergenesungswerk.de/news/1347/die-rolle-der-frau-in-der-gesellschaft.html)

frauen im prozess mit den themen 

selbstfindung, stärkung, orientierung und wandlung

unser therapieziel bleibt, schöpferisch mit dem eigenen leben umzugehen, auf dem weg zu sein, aber auch mit stagnierungszeiten umgehen, und vor allem, sich mit sich selber einverstanden erklären zu können als werdende mit allen ecken und kanten, die man so hat und die einen ausmachen. ziel wäre auch, das risiko des selbstseins auf sich zu nehmen, zu riskieren, man selber zu sein. (kast verena. wir sind immer unterwegs seite 85)

bei bedarf und auf anfrage der teilnehmerinnen, wurden einzelstunden zur weiterführenden bearbeitung individueller themen und prozesse angeboten und auch eingefordert. 

der raum 

ort der durchführung ist in nassereith in einem sehr großen hellen arbeitsraum mit tischen und stühlen. es gibt waschbecken und eine toilette. 

der helle raum ist vorbereitet, dass die klineten verteilt an einem riesigen tisch sitzen, sodass sie sich ausbreiten, bei sich sein können und trotzdem auch die anderen gut sehen können..

alle materialien sind im raum gut geordnet und beisammen, gut übersichtlich so dass man sie schnell bei der hand hat. 

durch die aufteilung im raum ist ein tolles klima zum arbeiten bereitet. die werke kann man mittels einer 5m langen wäscheleine mit wäscheklammern an der großen weißen wand gut präsentieren. durch kurzes umstellen der stühle sitzen die klienten dann wie im kino mit dem blick auf das geschaffene, bereit zur besprechung. 

fokus setzen

was bleibt übrig, hinter den vielen rollen. was ist doch da und will gesehen/erkundet werden? was  versteckt sich im normalen alltag, fast unsichtbar? was bittet um mehr platz um sich entfalten zu können? welche mannigfaltigen rollen sind zu leben im „alltags-strudel des lebens“? 

beginnend als tochter, kind, schülerin, jugendliche, pubertierende, freundin, fräulein, partnerin, frau, ehefrau, angestellte, mutter, großmutter,…und dazu passend für jede phase noch sämtliche andere rollen zum beispiel: erzieherin, köchin, putzfrau, organisiererin, friedensstifterin, wäscherin, wecker, chauffeurin, lehrerin, frisörin, trösterin, chefin … mit den jeweiligen rechten und pflichten.

hinter den vielfältigsten rollen die wir frauen ausüben und zwischen denen spontan herum geswitcht wird, bleibt versteckt, manchmal auf blitzend, leicht durchscheinend das selbst. 

in der projektarbeit mit den frauen war es mein anliegen die frauen zu stärken 

– sich selbst zu stärken 

– so frei wie möglich, aus den belastenden rollen raus , 

– sich selbst zu entdecken 

– auf erkundung gehen 

–  eine innenschau 

– in sich herum  zu wandern 

– anliegen und wünsche definieren zu können 

– formulieren und sich selbst mehr wahrnehmen und daraus das wachsende bedürfnis der entfaltung, des raum schaffen für sich. 

grundsätzlichen fragestellungen die uns auf diesem weg begleiteten:

wer bin ich?

es ging um selbst-erfahrung, erkundung der eigenen inneren und äußeren welten 

wie erlebe ich mich? was macht mich aus? 

sich selber näher kommen, dem eigenen annähern und zuwenden,

den inneren bildern auf die spur kommen

erkenntnisse über sich selber gewinnen. 

was macht mich stark? was gibt mir kraft? was behindert mich, was schwächt mich? innere welten entdecken und wachsen lassen.

wo bin ich? 

standortbestimmung, bestandsaufnahme des ist-zustandes 

wo bin ich? wo bin ich am meisten ich? 

wo stehe ich im moment in meinem leben? wohin möchte ich mich entwickeln?

wie ist mein leben bisher verlaufen? ereignisse oder entwicklungen, die mein leben geprägt haben oder heute noch prägen, entdecken, kennen lernen und daraus konsequenzen für die zukunft ziehen. 

welche rollen lebe ich jeden tag? in welcher rolle fühle ich mich am wohlsten? 

sind diese in balance? wo möchte ich diese persönliche rolle „neu“ definieren?

wohin will ich?

zielabklärung, ressourcen und wege dorthin entdecken:

was möchte ich noch erreichen? welche ziele? 

wünsche, träume formulieren. welche möglichkeiten zeigen sich? welche ressourcen sind darin versteckt, können hilfreich sein? zielformulierungen.

welche veränderungen braucht es? was muss oder sollte ich verändern, um mein ziel zu erreichen? was braucht es nicht mehr?

materialien

sämtliche farben standen zur verfügung von „trockenen“ holzfarben, kreiden jeglicher art bis hin zu gouache mit pinsel (und mit den fingern) aufgetragen wurden. zweimal arbeiten sie mit grauem ton (der dann auf wunsch gebrannt wurde).

fast jedes mal bot ich wachsmalkreiden, aquarellkreiden, pastellkreiden, aquarellholzstifte an.

die wahl des papiers kam jeweils auf die aufgabenstellung an, von quadratischen bis A2 format. qualitativ hochwertiges und stärkeres papier in weiß – naturfarben. farbiges tonpapier war auch im einsatz. 

grauer ton kam zwei mal zum einsatz um das material und das formen kennen zu lernen.

zwei bücher präsentierte ich zur unterstützung, eines über die welten und eines über länder und landkarten.

immer dabei waren für alle schreiber und papier zum „simplen“ aufschreiben dabei.

auf die angewandten techniken und die methoden gehe ich später ein. 

vorab: meist entstanden werke entstanden auf papier, die mit den angebotenen farben zum jeweiligen thema frei gestaltet wurden.

didaktische überlegungen, geplante abläufe:

beim ersten mal

bei der ersten zusammenkunft war es mir wichtig die „spielregeln“ fürs miteinander und fürs tun fest zu setzen; die lauteten:

•          gesprochenes und sichtbargewordenes wird behandelt wie ein wertvolles geschenk.

•          wert frei 

•          offen

•          wertschätzend

•          meines nehme ich mit (nach draußen) ins leben

•          im raum bleibt alles vom anderen.

•          absolut klar, dass es eine verschwiegenheitspflicht gibt.

im fall dass es offene zu besprechende themen gibt, die im arbeitsprozess entstanden sind, sollten sie mich kontaktieren um einen guten weg zu finden, damit umzugehen.

also wurden zu anfang die rahmenbedingungen (inkl. einverständniserklärung) geklärt. die vereinbarung für die gemeinsame zeit, der umgang mit informationen über andere teilnehmerinnen. es durfte  alles was „kommt“, gut platz haben. ein geschützter rahmen war und ist mir ein großes anliegen, dass sich die damen gut auf ihre themen die sich zeigen einlassen konnten.  

nach einem kurzen vorstellen interessierten mich die beweggründe und erwartungen an die arbeit. dadurch lernten sich die teilnehmerinnen schon etwas mehr kennen und auch ich bekam die gelegenheit dazu sie besser abzuholen. 

im anschluss wurden themen gesammelt, eingebracht, ausgetauscht die sie gerne bearbeiten möchten. methoden u. techniken diese zu bearbeiten wurden von mir vorgeschlagen. sie überließen mir komplett die entscheidung ohne wenn und aber, und ließen sich mit begeisterung darauf ein.

arbeitsart und weise

ein gutes ankommen und dem für alle passenden austausch – ob in der zwischenzeit etwas aufgetaucht ist, ob es nebenwirkungen gab vom letzten mal, besondere vorkommnisse oder träume die angesprochen werden wollen, wie die derzeitige befindlichkeit ist …

gleich im anschluss erfolgte der klare arbeitsauftrag: 

ausführlich erklärte ich die aufgabe (kreativer ausdruck mittels verschiedenster techniken und methoden). für etwaige fragen war ich stets ansprechbar  und stellte reichlich zeit zur verfügung. 

ruhe – eintauchen in die farben und formen… entstehen lassen… 

die damen gingen jedes mal sofort ganz interessiert ins tun. es war mit freude zu zu sehen wie sie sich ins „zeug schmissen“. dazwischen gab es immer wieder leichtes stöhnen zu hören, wenn etwas nicht so ganz gelungen ist, wie die jeweilige sich das vorstellte oder es erkenntnisse gab.

nach der fertigstellung kam aufgabe zwei: beschreibe dein werk, finde dazu fünf eigenschaftswörter, gibt’s dazu eine geschichte zu erzählen, dann bitte aufschreiben, ein gedicht oder ein elfchen …  eine art der verschriftlichung wurde zu jedem entstandenen werk erstellt. auch das „formulieren“ kam gut bei den damen an. 

danach wurden die entstandenen werke gut sichtbar an der leine die an der wand hängte präsentiert. 

mittels einem gemeinsamen betrachten und die Bilder wirken lassen, ohne kommentar, starteten schon tolle prozesse los.  

„allein“ durch die bildwerdung und den abstand kam einiges in bewegung. das anschauen der bilder der anderen brachte zudem etwas neues hinzu.

folgend wurde dann in der gruppe von jeder einzeln ihr werk und der erfolgte prozess besprochen.

die sehr wertvollen besprechungen/relfexionen boten raum für jegliche art von emotion, egal ob traurig oder lustig, wertschätzender umgang miteinander ist mir sehr wichtig und war auch stets in der gruppe ein unausgesprochenes aber sehr klares gebot.

nebenbei mit der richtigen dosis fanden kurze inputs gut platz. 

für den gesamten prozess wurde reichlich zeit und raum zur verfügung gestellt um ein individuelles, intensives er-bearbeiten gewährleisten zu können.

gemeinsam im leben wandern

die begrüßung jeder einzelnen teilnehmerinnen untereinander mittels umarmung schon nach dem ersten treffen, zeigte mir wie intensiv die damen bei der sache sind. es war tatsächlich schon von der ersten begegnung an, ein sehr intensives arbeiten, eintauchen in „unbekanntes“. eigentlich wollten wir nur a bissl malen und schauen was passiert, meinte eine frau. aber dass das so in die tiefe und so klar daher kommt, faszinierte eva.

ein gemeinsames „auf den weg machen“ stellte sich ein und eine tolle beziehungsebene begann prächtig zu wachsen. 

marion weber
dipl. supervisorin
dipl. klinische kunsttherapeutin
dipl. psychologische beraterin
sachsengasse 97
A-6465 nassereith