eine weitere einzelprozess beschreibung 

 

Eva, die von der gebenden mutter durch die krise zur ausgeglichenen, freien frau wurde 

als Eva gut in der gruppe angekommen war, stellte auch sie sich der aufgabe, ihre farbe zu wählen aus dem farbfächer und dies zu begründen in der gruppe, warum es diese farbe ist, die sie anspricht. schön klingende assoziationen kamen zur farbe violett. sie beschrieb es als schön, da es für sie die farbe der wandlung, der transzendenz ist. sie freut sich mit dieser farbe und hat auch viele kleidungsstücke in diesem ton zu hause. 

die aufgabenstellung damit ein bild zu gestalten, fiel ihr leicht und sie genoss sichtlich das tun. es entstand eine große blüte mit violetten und in rosagehaltene blütenblätter die gut und satt auf dem blatt raum einnahmen.

in der besprechung formulierte sie, dass „dies für sie ganz klar ist, weil man gibt und gibt, so wie eine blüte die blüht, die gibt auch ganz viel und bekommt nichts dafür zurück, da sie dazu bestimmt ist, zu blühen. sie erfreut sehr viele menschen und sie macht das auch gerne, aber keiner fragt sie, wie es ihr dabei geht, noch dazu nehmen es sehr wenige“, meinte sie dazu.

es entstand dann die frage in der gruppe: welchen stiel hat die blume? ist es vielleicht eine seerose die auf dem wasser treibt? gibt es noch andere blumen ihrer art?… ausführlich besprachen wir das thema geben und nehmen, für Eva war es zu diesem zeitpunkt absolut unvorstellbar weniger zu geben, das dies ihr auftrag als frau und mutter war.

mir stellte sich die frage, warum sie aus ihrer sicht „so viel geben“ muss. es schwang auch etwas leidendes mit; ein, sie gab alles für alle rund um die uhr und niemand wusste es zu schätzen oder gar auf sie zu schauen, was sie hätte brauchen können. ich fand als antwort, dass sie mit ihrer gebenden art, in der rolle der stets fürsorgenden, massiv um etwas kämpfte. vielleicht hätte sie als älteste, ein sohn werden sollen, der die firma des vaters übernehmen sollte. womöglich bekam sie nur durch viel geben zu ihrem platz in ihrer herkunftsfamilie? 

in der nächsten aufgabe sollte ein aild in einer farbe mittels gouache und finger als werkzeug auf einem A2 blatt enstehen. sie tat sich sehr leicht und war felsenfest der überzeugung, dass dies ein absolut „schön“ ruhiges bild geworden ist, in einer farbe. 

„weil grün für mich hoffnung ist. neubeginn – frühling – ist für mich die farbe des auftankens, aufladens. es vereinen sich in ihr das licht/gelb und das wasser/blau – ergibt grün. es ist beides in grün so kraftvoll vereint. ein sehr beruhigendes bild!“ 

nebenbei erklärte sie der gruppe, dass sie massive grenzüberschritte auszuhaten hatte, seitens ihrer tochter, die mit zwölf jahren wieder bei ihr im ehebett schlief und mit ihrer tochter, die die taufe nicht so veranstaltete, wie „man es eigentlich tun sollte“. 

kontrolle und behütung, umsorgung tauchten bei jedem gespräch auf. sie war aus ihrer sicht, die ruhige, die gebende, die von den anderen familienmitgliedern aber als lästig empfunden und nicht ernst genommen wurde.

warum ihr die themen leistung und familie so viel abverlangten: trotzdem, dass sie den betrieb ihres vaters als ältestes kind übernahm, wurde sie doch nicht ihrem system gerecht.  da sie eine tochter ist. sie selber beschrieb immer, dass „das schon geht, was wird schon werden, das ist halt so.“ es klang immer wieder eine schicksalsergebenheit und frustration mit. ich erstellte die hypothese, dass sie zeit ihres lebens von ihren eltern nicht als tochter gewürdigt wurde. 

bei der „handarbeit“ gelang es ihr gut die farben satt einzusetzen. folgend wählte einen ausschnitt zum zoomen „soziale beziehungen, familie – arbeit, leistung“. 

mit etwas überwindung kam sie bei der nächsten aufgabe auch schnell in ihr thema: „wie soll denn das kleine blatt dort platz haben. des kippt ja weg, wenn das plötzlich machen würde, was es will.“

in der besprechung bestätigte sich meine annahme: sie hatte angst ihren platz, den sie sich stets schwer erhalten musste, zu verlieren. welche konsequenzen daraus entstehen würden, beschäftigte sie vorerst massiv. jedoch gelang ihr durch den sicheren rahmen ein neuer positiver blick. 

auch beim arbeiten mit ton tauchte wiederholt das „geben und nehmen“ auf. dabei kam endlich eine krisenstimmung auf und sie begann leicht zu weinen, versteckt mit nassen augen. obwohl sie tief in einer krise steckte, nicht wusste wohin der weg sie führen wird und eigentlich explodieren hätte können, saß sie ruhig, gebend und harmoniebedürftigst auf ihrem stuhl. 

sie gab dem werk den namen:

die schale: aufnehmend, veredelnd, weitergebend, schützend, klingend, vom „dasein“

ihre worte dazu lauteten: „ich möchte endlich aus dieser rolle der mama raus kommen. seit dreißig jahren, seit dreißig jahren, dreißig jahre reichen!! ich habe es satt immer zur mama degradiert zu werden.“

warum  sprach sie so gegenteilig von der schale und ihrem gefühl dazu? warum konnte sie nicht von innen heraus? ich erklärte es mir so, dass sie wohl, brav sein musste. so wurde es ihr wohl anerzogen und sie wollte bestimmt auch im sozialen gefüge nicht aus dem rahmen fallen.

es gelang ihr zumindest die versteckte frustration ein wenig verbal zu äußern. sie brauchte aber die „schöne schale“ als täuschung (provokant formuliert) nach außen. ich bot ihr einen termin an um genauer hin schauen zu können und nahm ihm an. 

in einem einzelsetting probierte sie sich aus. sichtlich schwer fiel ihr eine klare form zu finden. 

warum fiel es ihr so schwer? ich dachte mir, dass sie wohl wenig ahnung hatte, was sie mit sich anfangen sollte, wenn leistung geben und brav sein weniger geworden wären. sie brauchte mehr selbstsicherheit um sich darauf ein lassen zu können.

beschrieben wurden folgend von ihr: viele einflüsse von außen und mehr noch ängste vor dem unbekannten im inneren die vielleicht zum vorschein kommen. 

vorerst ließ ich sie reden und beschreiben. sie war sich ihrer situation immer mehr bewusst, dass eine veränderung anstand. sämtliche ausweichstrategien: die anderen haben und wenn mein mann nicht, wenn doch die kinder nur endlich, meine angestellten und der nachbar erst… nach einer ausführlichen „exkursion in die gemeine welt der ausreden“ die für ihr befinden zu ständig sind“ gelang ihr ein blick zu sich. ein wahrnehmen war möglich geworden und die einsicht wuchs, dass sie eigentlich 

nicht so recht wusste, was sie überhaupt will und dass es an ihr lag „etwas“ zu tun.

warum war es ihr möglich geworden ein stückchen sich an zu  nähern? womöglich hatte es damit zu tun, dass sie hier und jetzt die möglichkeit nutzte, sich platz zu verschaffen. da ihr nach dem „dampfablassen“ nichts mehr einfiel, hätte sie wieder von vorne anfangen müssen, was sie sonst noch behinderte. aus der leere heraus entstand für sie plötzlich alleine ein sicherer raum. ohne hindernisse, ohne müssen. kurz dauerte ihr exkurs mit sich, trotzdem wurde es ihr möglich ein bisschen zu phantasieren: was sie tun würde, wenn sie nicht müsste…  wenn sie nur für sich leben würde… welche ziele sie hätte… 

im betrachten des folgewerkes – fluss des lebens –  konnte man schon tolle fortschritte erkennen. Eva beschrieb es auch als „freier“  -„es wird leichter. die können mich alle mal. ich schau jetzt ganz brutal mehr auf mich und koche nur noch einmal am tag für alle zusammen.“

“beginnend im unbewussten – im nichts der liebe, hineingeboren in das „alles“ mögliche entfaltend – alles ist da – alles darf entdeckt und erfahren werden (schwarz enthält alle farben – eintauchen ins tiefste – wissend erfahrend – daraus wieder herauskommend – verarbeitet und weitergehen. kraftvoll, nährender, strahlender dem ausgangspunkt entgegen!“ 

„fluss des lebens: immer in bewegung. im gelb grünen in der auswärtsbewegung bin ich jetzt. ich muss mich treiben lassen. festhalten gilt nicht. man muss es als möglichkeiten der entwicklung sehen. ja als möglichkeiten. auf das tiefste kann ich zurückschauen.“

warum lag der schwerste teil schon hinter ihr? konnte sie darauf vertrauen? ich erstellte die theorie, dass sie noch mehr sicherheit brauchte und stärkeres vertrauen in sich und ihre fähigkeiten da sie sich auf den weg machte. da sie beschrieb, wie gut es ihr in diesem gelb-grün ging, vertraute ich darauf und versuchte sie gut zu unterstützen, um ihr ein gutes treiben lassen zu ermöglichen.

mit der aussage, dass sie auf das tiefste zurückschauen kann, schnappte ich sie beim thema „Sie ist in der auswärtsbewegung“ und es gelang ihr tatsächlich: sie machte große schritte, es gelang ihr ziele zu beschreiben, die sie sich gut zutraute in naher zukunft erreichen zu können. Wünsche wurden formuliert und notiert. Eva ging freudestrahlend, bestärkt nach dieser sitzung nach hause. 

warum war es leichter geworden? meine vermutung bestand darin, dass für Eva in der verschriftlichung eine große ressource steckte. sie hatte etwas schwarz auf weiß in der hand, das sie geschrieben hatte – eine art verschreibung wie vom arzt – das musste sie tun, dass es ihr gut tat. sie schrieb sich ihr eigenes rezept, für sich. 

zeichne deinen planeten, alles ist erlaubt. mach notizen dazu und gibt ihm einen namen.

„uneingeschränkte welt der möglichkeiten, tag und nacht, uneingeschränktes wissen, im planeten sind alle schöne sachen. alles. es gibt einen violetten deckel ins erdinnere. es gibt einen meetingpoint mit hängematten zum austausch mit menschen. die anderen brauchen fügel um zu meinem planeten zu gelangen. es haben nur sieben menschen platz. die bibliothek muss immer da sein. wissen macht schutz, sonst macht man wieder die fehler wie schon in der vergangenheit. es geht aber alles spielerisch leicht.“

sie gestaltete ein prozessbeschreibungsbild mit der blüte die zu beginn auftauchte, mit der gebenden form der schale und dem blauen meer der tränen und verzweiflung. Eva zeigte sich optimistisch im prozess: „es ist schon echt so viel passiert. meine leute daheim wissen auch wie umgehen mit der lage. das hätte ich mir nicht gedacht. aber es passiert nichts, wenn ich einfach mehr das tue, was mir gut tut.“

bild mit dem titel „wandlung in die pension“:

“es hat noch nicht genügend platz in meinem leben.

beginnend mit dunklem blau grau,, wissend dass dahinter das reine licht steht (weiß) – sich einlassend auf den prozess. gehend durch die hoffnung(grün). es wird licht werden (gelb). erkennender zorn gehen ins aktive (rot) um wieder daraus aufzutauchen um im lichten vertrauen erkennend meinen weg zu gehen.“

Eva hat im laufe des prozesses mit der gebenden, gütigen, auf harmonie bedachten einstellung gestartet. sie fühlte sich nicht wohl in ihrer haut, da eine veränderung anstand die einige themen mit sich brachte. zum einen, die rolle der mutter die sie loshaben wollte;  dann  die unerwartete, baldige pensionsantrittsmöglichkeit, in der sie sich auf die gemeinsame zeit mit ihrem mann freute; und  gleichzeitig ihre tochter wieder in ihrem ehebett schlief;…

das leben mit seinem individuationsprozess zwang sie in die krise in der die notwendigkeit sichtbar wurde, mit sich und an sich zu „arbeiten“. (um schneller heraus zu kommen).

von den problemen lag ein spannender weg zu den ressourcen, die dann hin zur lösung führten. es wurde klar die notwendigkeit der individuation sichtbar, um aus der krise heraus zu finden. im abschließenden gespräch berichtete Eva glückselig, dass sie verstanden hat, dass es keinen fixen plan zum leben gibt, man müsse einfach immer wieder weiter schauen und dann dementsprechend für sich entscheiden was passt.

marion weber
dipl. supervisorin
dipl. klinische kunsttherapeutin
dipl. psychologische beraterin
sachsengasse 97
A-6465 nassereith